This is an old revision of the document!
Ich fange mal mit ein paar Fragen an, die mich beschäftigen:
ich habe einen ganz interessanten Vortrag über Kino und Atem (hier ging es um den Film Undine von Christian Petzold) gesehen und die Vortragende warf anfangs die Frage auf:
Kann man überhaupt noch emanzipatorische Optionen von Affekten ausmachen und wäre das etwas, was man unter politischer Romantik versteht..
Ich fand die Überlegung interessant in Hinblick auf den Atem und die Körperarbeit. Wenn wir erst mal von unseren Atem-Erfahrungen ausgehen wollen, die wir beide mit Rosen u. Middendorf Methode machen, stellt sich ja die Frage für uns: in welcher Form und wie überhaupt wollen und können wir diese therapeutische Erfahrung auf unsere künstlerisch/ästhetische Arbeit anwenden, zum Ausdruck bringen. Oder vielleicht auch eher ganz nach unserem Titel “Breathing With”, dass es weniger um den Versuch der Übersetzung geht sondern eher um ein Ausloten entlang des Atems, welche Form das annehmen kann. (Trin Ti Minh-Ha: I don´t won´t to speak about, I want to speak nearby…)
Zurück zu der oben aufgeworfenen Frage: Was wäre das emanzipatorische, künstlerische Potential den Atem hier in den Vordergrund zu rücken? Meinen Atem und die Räume, die er eröffnet, zu erforschen. Mit dem Atem zu forschen ist auch eine Form des sich immer wieder anders, sich neu er-fühlens und er-denkens, Muster zu spüren und auch die Möglichkeit diese zu verändern. Das Spüren und das Nervensystem als einen Speicher von antrainierten Mustern zu erforschen. Das auch beinhaltet, sich vom Willen und der Intention etwas Bestimmtes zu Wollen loszulassen. Denn wie wir atmen ist auch ein Automatismus, wie wir in bestimmten Situation aufhören zu atmen.
In unserem Nervensystem (und auch Unbewusstsein –> wäre spannend mit Christoph darüber zu sprechen) sind unsere Erfahrungen gespeichert, die unser (Atem-)Verhalten ausmachen. Die Arbeit mit Middendorf und Rosen setzt für mich genau da an, über den Atem diese Verhaltensmuster zu erspüren und wieder zu erkennen und zu verändern. Um hier noch mal auf das emanzipatorische Potential von Affekten zurück zu kommen: wenn wir die Atem-Erfahrungen als Affekte begreifen, die sich im, mit und durch den Körper offenbaren auf einer Mikro-Ebene.
Ich musste hier an den term minor gesture denken (Erin Manning): the minor gesture, die sie ja spezifisch im kontext autistischer Wahrnehmung benutzt hat, steht für neue und alternative Erfahrungs-und Ausdrucksweisen (in einer neurotypischen Umwelt). Dieses leise, unbemerkte und für viele selbstverständliche Phänomen in den Vordergrund der Untersuchung zu holen und zu gucken, was der Atem kann, der Atem in Verbindung zur Stimme, zum Körper….auch wenn der Atem autonom ist, kann er nur durch und mit etwas erfolgen…
Könnte man breathing nicht auch als eine minor gesture betrachten, die in der Tradition der modernen Western philiosophy oft vergessen/ ignoriert wurde…in meiner letzten Rosen-Sitzung hat Martial am Schluss vom nervous system gesprochen, dass es vielleicht erst einmal Zeit braucht, da ins spüren zu kommen und dass ich mich in meiner wahrnehmung nicht fokussieren kann, weil die Energie woanders gebraucht wird.. Wenn es um Veränderung geht, dann vielleicht auch die Muster, die wir uns lange antrainiert haben und die vielleicht einen langen Zeitraum eine notwendige Schutz-Funktion erfüllt haben, durch neue Informationen/Sensations zu “ersetzen”…ersetzen ist vielleicht nicht das richtige Wort, vielleicht eher ein “shift of attention”…wenn wir davon ausgehen, dass viele Potentials und Sensations ja schon da sind (in dem sinn ja auch nicht neu) und denen viel mehr Raum und Aufmerksamkeit und dadurch neue Bewertungen einstellen können. Was wir vom Atem lernen können \\
Und das wäre für mich ein wesentlicher Punkt dieser körper-basierten, therapeutischen practice für die künstlerische Praxis, diesen “Shift of attention” mit dem Atem…Die Dinge nicht immer gleich zu sehen und zu bewerten…“Molding”..der Atem formt Räume, Verwirbelungen –> bringt etwas in Bewegung, löst Spannungen.
Atem als “minor gesture”, den wir uns in unterschiedlichen Situation angucken…, der Fokus gerade auf Rosen/Middendorf “Selbsterfahrung”, Atem und Stimme, Atem und Malen…den
“The minor gesture, a term used by Erin Manning, requires rethinking common assumptions about human agency and political action. To embrace the minor gesture's power to fashion relations, its capacity to open new modes of experience and manners of expression, is to challenge the ways in which the neurotypical image of the human devalues alternative ways of being moved by and moving through the world—in particular what Manning terms “autistic perception.”
4.3.2021
Anschließend an die oben stehenden Gedanken und an unser Gespräch vom 2.März
Ich musste noch mal daran denken, was Rosen in einem Interview gesagt hat über die Hände und die Spannungen im Körper, die sie sieht/spürt- die Hände haben eine gewisse Autonomie, dass selbst wenn sie die Anspannungen im Körper sieht, die Hände auch zu einem anderen Körperteil hinführen. Ein Wissen, dass sie über jahrelange Praxis über und mit ihren Händen erfahren hat. Da musste ich einerseits an Intuition denken und dieses Buch, das du über die Hochschule bestellen wolltest von Cecile Malaspina- Epistemic Noise, das Kapitel „Astigmatization of Intuition“- vielleicht können wir da noch mal reinschauen.
Gleichzeitig dachte ich daran, dass es auch super spannend ist im Hinblick auf die künstlerische Übertragung/ transduction: einmal worüber wir auch mit Sandra gesprochen haben: different references produce different bodies/ physicality’s - what happens if the references and the knowledge produced by a theory hardens the body…or softens/ opens up- An der Stelle muss ich noch mal auf Erin Manning eingehen. Ich glaube schon, dass sie an der Stelle relevant sein kann. Ich habe angefangen, das Gespräch mit ihr zu hören: https://vimeo.com/514927927
Hier sehe ich Verbidnungen, worüber wir am Dienstag gesprochen haben: ein hybrid von künstlerisch-therapeutisch. Und auch noch mal zu der größeren Frage: was ist unsere gemeinsame Suche, was machen wir zusammen. –> aus meinen Notizen: “Wir schaffen uns einen Raum?” Wie können wir diesen Raum beschreiben. Collaboration as a practice based on conversations, thinking together (that also results in a tangible product). Nur dass wir immer wieder neu verhandeln, was das Material ist?! Was Zusammenarbeit sein kann. Jana: A Collaboration that is a) emergent and b) lingers in a state of potentiality. Collaboration as a spacial practice of potentiality: potentiality on the level of intensity: you linger around, you create that space for roaming
Und dieses “roaming” hat mich wiederum zum Meandering gebracht als forschende Geste des Aufspürens, ein immer auf der Suche sein nach etwas ohne eine bestimmte Richtung von Anfang an einzuschlagen- sowie die Hände über den Körper gleiten und aufspüren…v.a. also zu der meandernden Geste sowohl des Forschens als auch der Hände…Die Hände, die Aufspüren und der Blick, der abtastet - da musste ich auch noch mal an Film denken..im gespräch mit Christoph hattest du auch über Laura Marks gesprochen..
Ich glaube da lässt sich eine spannende Verbindung aufbauen. In dem Video mit Erin Manning sprechen sie über “tresholds”, was es für bestimmte, verschiedene Körper (Neurodiverse, etc. ) bedeutet treshold zu passieren…
23.3.2021
Bin noch mal durch das Gespräch mit Sandra gegangen und finde die Aspekte, auf die sie eingegangen ist, total interessant für uns:
Anknüpfend zum Thema “Tresholds”: Grenzen die noch gar nicht in Sicht sind, wir aber schon verinnerlicht haben. Ein körperlicher, somatische Zustand, der sich in Vision übersetzt-
sie hatte von Erica Gardner, der Tochter von Eric Gardner erzäht, die an einer Herzattacke gestorben ist –> Konditionalität, der Zustand Atmen, bzw. Nicht Atmen zu können sich weiter überträgt (→ racial u Migrational studies haben dazu geforscht, wie sich solche Zustände weiter übertragen, trotz unterschiedlicher Biografien.) Und wie schwierig es ist - Nicht Atmen zu können auf einer körperlichen Ebene zu überwinden, selbst wenn man z.B. gar nicht mehr einer direkten Gefahr ausgesetzt ist. Siehe hierzu Vanessa E. Thompson (vom SODA Vortrag): https://heimatkunde.boell.de/de/2020/09/02/die-verunmoeglichung-von-atmen
Atmen einerseits etwas sehr individuelles und gleichzeitig eine Kollektivierung.
Umgekehrt werden Atemtechniken benutzt um eine spezifische Körperlichkeit herzustellen (Meditation, Körperpraktiken, etc)
Lesen- Laut Vorlesen: durch das Aussprechen kommt der Körper zurück. In dem Zusammenhang finde ich interessant zu gucken, was ist das für ein Körper, mit was kommt der rein, der ist ja nicht neutral..auch mit was für Erwartungen kommt der rein, mit was für Affekten..das finde ich total wichtig, um dieses Denken über Breathing und die Praxis dessen. Die Art u Weise wie ich einen Begriff lese, mit was für einer Intention ich da ran gehen, was für ein Verhältnis habe ich zu dem Begriff..(kann ich den richtig aussprechen, ist das ein total sperriges Teil, was man willkommen heißt und was nicht) Und da find ich zwischen dem theoretischen Konzept und der Praxis, da find ich Körperlichkeit so wichtig…da liegt fast was drinnen, was man fast körperlich probieren kann..
Wer liest was vor, Wie passiert das?
Frage von Adressierung oder Instruktionen-
Gibt es eine Idee (für die Zuhörer), wie ich dem begegnen soll…spielt es eine Rolle, dass es die nicht gibt?
gibt es eine Instruktion für den Raum, der wirklich was mit Atmen zu tun hat? Oder wenn ich ein Wort mehrmals sage und das ganz schnell spreche, komme ich in eine andere Art der Atmung und damit auch in einer andere Art von Körperlichkeit.
Performance und Politics of Security..
Wann sind Körper gesettelt und wann nicht. Und was es braucht, um dahinzukommen…
Begriffe - Spielerisches:
Begriffe sind ja bisschen wie Menschen…manche Begriffe brauche ich, weil ich präzise genau diese brauche..und manche Begriffe brauche ich, um mich woanders hinzubewegen. Und mit manchen Begriffen bin ich gar nicht einverstanden und sie sind aber trotzdem da um mich zu erinnern, um diese Auseinandersetzung aufrecht zu erhalten. Worte sind ja sehr verschieden, manche Worte schlagen ja auch eine Aktion vor..
Dadrin steckt ganz viel, was auch in diesem Breathing steckt, ganz viel Ambivalenz und Spiel auch…es ja nicht nur ernste Sache.
Wörter nehmen Raum - Symbolkraft - kollektive Kraft:
Wieviel Raum nimmt das, nicht nur Im Sinne von Aussprechen, sondern was wird da aufgerufen? Manche Worte sind ja alltäglicher, harmloser…da kommt die Metapher auch wieder zurück- oder das symbolische. Oder das Imaginäre, was aufgerufen wird, oder manche Worte haben eine ganz starke kollektive Kraft- sich etwas vorzustellen…wie worte sich anfühlen, was für ein gewicht die haben, welches wort, hat welchen körper.
Sprechen/ praktische Rhetorik/Rythmus:
was haben Worte für ein Gewicht, wie fühlen die sich an, welchen Rhythmus kriegen die, wo sitzen sie im Körper. –> sehr performativ und choreografisch
Da spielt Atmen eine große Rolle- bei der Rhetorik z.B. denkt manchmal in Bögen- da sammelt man Atem, um einen gewissen argumentativen Bogen spannen zu können. Das fällt vielleicht gar nicht so auf.
Das ist aber ein Training, das man macht. Welches Wort hat welchen Körper- was tragen die, was lösen die aus.die Verbindung von den Gedanken und den Körpern die dadrin liegen..
Dramaturgie und Mobile Format:
wenn sich innen etwas verändert, verändert sich das System, etc..eher eine Art Gefüge, das immer in Bewegung bleibt
24.3.
https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1357034X20916001
On Breath and Breathing: A Concluding Comment, Tim Ingold
“For a being that breathes out and in, should we not add to embodiment its complement of vaporisation? Breath, after all, is fluid, animate and fundamental to human conviviality. While it can temporarily be put on hold, breath cannot be contained. […]
The Soul as a vortex in which breathing, thinking, speech and song all flow into one another –> Hier musste ich noch mal an die Verwirbelungen denken → Vortex! Vielleicht eine Verbindung zum Mobile - sobald sich das eine bewegt sich das andere
___
Bereits Frantz Fanon hat in Black Skin, White Masks darauf hingewiesen, dass es gerade nicht nur um die kulturelle und symbolische Dimension der Atmung geht, sondern auch um die materielle, ökonomische Grundlage. Der Historiker Jürgen Martuschkat spricht in seinem Text „I can´t breathe. Atemnot als Normalzustand“ von einer anhaltenden Praxis der Eigentumsdiskriminierung. Atemnot, so schreibt er, ist für POC in den USA der Normalzustand.
Gegen diesen Normalzustand schreiben zahlreiche Theoretikerinnen an und entwickeln Utopien der Atmung. So Sara Ahmed in „The Promise of Happiness“
„Being able to breathe freely, is an aspiration. With breath comes imagination. With breath comes possibility. If queer politics is about freedom, it might simply mean, the freedom to breathe.“
Bemerkenswert, dass hier nicht von „the freedom of speech“ die rede ist, sondern „the freedom to breathe“ eine existenzform, die jenseits des sprachmächtigen Subjekts liegt und auch andere Spezies miteinschließt.
Das bringt mich zu : Breathable Future bei Magdalena Górska- how could a respirable atmosphere be like…und die Dimension von Vorstellungskraft/ Imagination, die Ahmed auch anspricht. Wenn man jemanden den Atem nimmt, dann auch die Fähigkeit sich als etwas anderes vorzustellen und somit auch die Möglichkeit, etwas anderes zu sein, ein anderer Körper zu werden…“Anderer” hier im Sinne von ein im Werden begriffener, niemals abgeschlossener, ein sich erfindender Körper.